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II . BIBELTEXTE AUS LITURGISCHEN QUELLEN
Der Nachweis von Bibelstellen in Editionen kann in die Irre führen , wenn man darin mehr sieht als
den Hinweis auf die Urquelle . Soweit es sich nicht ausdrücklich um Bibelkommentare handelt , darf
man nicht unbedingt davon ausgehen , daß der Autor bei seiner Arbeit eine Bibel zur Hand hatte . Häu
fig werden die biblischen Texte aus der Liturgie oder aus Schriften der Kirchenväter stammen . Schon
eine kurze Durchsicht des Materials des Vetus - Latina - Instituts in Beuron macht deutlich , daß die
Kirchenväter und ihre Nachfolger nur selten Bibelstellen zitieren , die nicht in der Liturgie vorkommen .
In der vorliegenden Edition ist – wo immer diese bestimmt werden konnten – auf solche litur
gischen oder patristischen Quellen verwiesen . Die Textanmerkungen beschränken sich im allgemeinen
darauf , einen Textzeugen zu benennen und auf Unterschiede zum VulgataText hinzuweisen . In der
nachfolgenden Liste werden die Quellenangaben in einen größeren Zusammenhang gestellt .
Viele Bibelstellen sind in ihrer Textgestalt nur in westgotischen Quellen nachweisbar , andere
haben Entsprechungen auch in gregorianischen Quellen . Zu diesen wird verwiesen auf René - Jean
HESBERT , Antiphonale Missarum Sextuplex ( 1935) und DERS ., Corpus Antiphonalium Officii ,
5 Bde . ( 1963 – 1975) . Auch in den Fällen , in denen die gregorianische Version nicht der mozarabischen
nahekommt , sondern eine unterschiedliche Formulierung der Bibelstelle bietet , ist auf diese Werke ver
wiesen , doch stehen die Angaben in diesen Fällen in Klammern ( ).
Ein vergleichbares Kompendium zur mozarabischen Liturgie hat Michael RANDEL , Index to The
Chant of the Mozarabic Rite ( 1973) , vorgelegt . Der geringere Umfang ( 1 Band gegenüber 6 von Hesbert)
zeigt , wie wenig von dem einst reichsten Ritus in Europa überlebte , der 1060 unterdrückt wurde . Das
Antiphonar von Leon ist das einzige vollständig für das gesamte Kirchenjahr erhaltene Antiphonar
und bildet so notwendigerweise den wichtigsten Bezugspunkt sowohl bei Randel als auch in der vorlie
genden Edition . Zu jeder Bibelstelle versammelt Randel die Informationen , die sich aus artderen ( meist
fragmentarischen) Handschriften ergeben ; von den 45 Quellen , die er auflistet , stammen zwei aus Theo
dulfs Heimat , der Region Rio ja . Da die Lesungen nicht gesungen wurden , fehlen die mozarabischen
Lektionare in seiner Liste , ebenso die Kompilationen , die 1500 und 1502 für Kardinal Ximenes zusam
mengestellt wurden und für die teilweise Handschriften benutzt wurden , die seitdem verloren gegan
gen sind . Eine dieser Quellen , das sogenannte Breviarium Gothicum ( MIGNE PL 86) bietet in einigen
Fällen den einzigen Parallelbeleg zu Theodulfs Formulierungen . Für andere gibt es keinen Beleg in
mozarabischen Quellen , obwohl an ihrem liturgischen Ursprung kein Zweifel bestehen kann . Beson
ders bemerkenswert ist eine längere Passage aus dem westgotischen liturgischen Psalter ; siehe dazu Ein
leitung S . 22 . Ein anderes Beispiel ist ein Isaias - Zitat ( 11 , 2 f .) mit der Aufzählung der Gaben des Heili
gen Geistes , das im Opus Caroli regis zweimal angeführt wird ( siehe oben S . 157 und 179) . In beiden
Fällen besteht das ursprünglich von Theodulf verwendete Zitat aus zwei gleichen Teilen ( wie für den
liturgischen Gesang) , die durch Auslassung von spiritus sapientiae et intellectus entstanden sind ; in
beiden Fällen wurde aber vom Korrektor die Auslassung wieder eingefügt . Diese und ähnliche Beispiele
wurden ebenfalls in die nachfolgende Liste aufgenommen , aber mit einem Fragezeichen (?) hinsichtlich
ihrer vermutlichen Quelle versehen ; zur Diskussion wird auf die entsprechenden Anmerkungen ver
wiesen .
Viele der hier aufgeführten Formeln begegnen wiederholt in Antiphonarien und anderen Quellen ;
in diesen Fällen wird auf das älteste ungekürzte Vorkommen verwiesen , und darauf bezieht sich dann
auch die liturgische Zuordnung .
Insgesamt ergibt sich : Theodulf kannte offensichtlich wesentlich mehr liturgische Formeln aus der
überkommenen Liturgie , als in heute noch erhaltenen Handschriften bewahrt geblieben sind . So erhält